Mitarbeitende müssen dienstliche Mitteilungen nicht in der Freizeit lesen

24.01.2023 - Arbeitsrecht, Nachrichten

Mitarbeitende sind nicht verpflichtet, ihre Freizeit zu unterbrechen, um eine SMS des Arbeitgebers zu lesen, so das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil v. 27.09.2022  - 1 Sa 39 öD/22).

 

Mitarbeitende müssen sich in ihrer Freizeit nicht erkundigen, ob es eine Änderung an ihrem Dienstplan gegeben hat. Auch wenn der Arbeitgeber versucht, einen Mitarbeitenden zu erreichen, um ihn über eine geplante Dienstplanänderung zu informieren, müssen Mitarbeitende weder Anrufe entgegennehmen noch SMS oder andere Mitteilungen ihres Arbeitgebers lesen.

 

Info erst bei Dienstbeginn

 

Den Mitarbeitenden geht die Information des Arbeitgebers im Zweifel erst bei Beginn des nächsten Dienstes zu. Der Arbeitgeber kann die Mitarbeitenden demnach erst zu Beginn des nächsten Dienstes über geplante Änderungen informieren, wenn weder Anrufe entgegengenommen noch SMS, E-Mails oder anderweitige Mitteilungen gelesen werden. Nehmen Mitarbeitende die Information jedoch während der Freizeit zur Kenntnis, sollten sie diese auch beachten. Lediglich die Verpflichtung, sich auch während der freien Zeit über Änderungen informiert zu halten, besteht nicht.

 

Worum ging es im aktuellen Fall?

 

Ein Notfallsanitäter hat eine Klage gegen den Arbeitgeber, einen Rettungsdienst, eingereicht. Der Arbeitgeber wollte dem Notfallsanitäter im April 2021 eine Information über eine kurzfristige Änderung des Dienstplans für den nächsten Tag zukommen lassen. Dieser war jedoch weder per Telefon noch per SMS erreichbar. Erst zum Beginn des nächsten ursprünglich geplanten Dienstbeginns meldete sich der Notfallsanitäter bei seinem Arbeitgeber und trat seinen Dienst an.

 

Der Arbeitgeber hat das Verhalten des Notfallsanitäters als unentschuldigtes Fehlen gewertet, da dieser nicht zu dem Dienst erschienen ist, den der Arbeitgeber ihm zuweisen wollte. Der Arbeitgeber hat ihm daraufhin Stunden von seinem Arbeitszeitkonto abgezogen und er erhielt eine Abmahnung.

 

Der Notfallsanitäter klagte daraufhin auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte und wehrte sich gegen den Stundenabzug.

 

Das Landesarbeitsgericht gab dem Mitarbeitenden Recht

 

Die Klage wurde zunächst in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht gab ihm hingegen in der zweiten Instanz Recht.

 

Das Landesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass nicht nachgewiesen werden konnte, dass die SMS mit der Mitteilung über die kurzfristige Dienstplanänderung dem Notfallsanitäter tatsächlich zugegangen ist. Daher könne auch kein unentschuldigtes Fehlen angenommen werden.

 

Man könne zwar davon ausgehen, dass die SMS auf dem Handy des Notfallsanitäters eingegangen ist. Jedoch hätte der Arbeitgeber nicht mit der Kenntnisnahme vor 07:30 Uhr des nächsten Tages, dem Dienstbeginn des ursprünglich geplanten Dienstes, rechnen können.

 

Das begründete das Landesarbeitsgericht damit, dass Mitarbeitende nicht verpflichtet sind, während ihrer Freizeit dienstliche SMS zu lesen und sich damit über ihre Arbeitszeit zu informieren. Die Freizeit muss für die Kenntnisnahme von Mitteilungen des Arbeitgebers nicht unterbrochen werden. Da der Arbeitgeber durch die Information des Mitarbeitenden über Zeit und Ort der Dienste sein Direktionsrecht wahrnimmt, handelt es sich beim Lesen der SMS um Arbeitszeit und eine Arbeitsleistung des Mitarbeitenden. Mitarbeitende haben aber während ihrer Freizeit ein Recht auf Unerreichbarkeit als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts. Jeder soll selbst entscheiden können, für wen er in der Freizeit erreichbar sein möchte und für wen nicht.

 

Es liege auch kein treuwidriges Verhalten vor, wenn Mitarbeitende nicht auf Anrufe des Arbeitgebers reagieren oder eine eingehende SMS zur Kenntnis nehmen.

 

 

Rechtsanwältin Angela Busemann

 

 

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